Geschichte

„Wenn es uns gelänge, in nicht allzu langer Zeit etwa 500 Wohnungen zu bauen, so wäre dies sicher ein, wenn auch nicht bedeutender, so doch wenigstens nennenswerter Beitrag zur Linderung der bestehenden Wohnungsnot.“

Mit diesem Anspruch trat die Gewerkschaft der Privatangestellten zu Beginn der fünfziger Jahre an, einen Beitrag zur Wohnraumschaffung im Rahmen des Wiederaufbaus des zerstörten Österreich zu leisten. Am 28. August 1953 war es dann so weit. An diesem Tag wurde die Generalversammlung zur Gründung der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung für Privatangestellte abgehalten. Nach nur fünf Jahren, 1958, waren bereits 466 Wohnungen fertiggestellt, und das so ehrgeizig formulierte Ziel war annähernd erreicht.

Die WBV-GPA ist nunmehr seit beinahe 70 Jahren aus Tradition und Überzeugung dem sozialen Wohnbau verpflichtet und sorgt gestern, heute und morgen mit innovativen Konzepten für hochwertigen, leistbaren Wohnraum zu kostengünstigen Preisen.

 

1953 – 1973: Der Beginn

1945 ist Österreich schwer gezeichnet. Die Ernährungssituation ist katastrophal, zigtausende Menschen haben kein Dach über dem Kopf oder müssen in zum Teil massiv beschädigten Häusern oder Baracken hausen. Es fehlt an Baumaterialien, Arbeitskräften und finanziellen Mitteln.

In der Ersten Republik hatte der soziale Wohnbau zu den herausragenden Leistungen des „Roten Wien“ gezählt. Nach 1945 bleibt der kommunale Wohnbau ein großes Anliegen der SPÖ. Gemeinden gewähren Baurechte, und über den Bundes-, Wohn- und Siedlungsfonds (BWSF) werden die Baukosten für Mietwohnungsbau finanziert. Mit diesen Initiativen ist der Boden bereitet, auf dem das Fundament der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) errichtet werden kann.

Es folgen Diskussionen vor allem um eine zentrale Frage: „Kann eine Organisation wie die Gewerkschaft der Privatangestellten den Spagat schaffen zwischen der unermesslichen Nachfrage nach Wohnraum und den ‚bescheidenen‘ Möglichkeiten, in kurzer Zeit Wohnungen zu bauen?“ Eine Frage, die bis heute geblieben ist.

„Es war am 15. oder 16. September 1956, als die Wohnungssuchenden in Viererreihen vor dem Büro (…) standen, nur um ein Formular für eine Wohnungsbewerbung zu erhalten. Ich wurde gar nicht ins Büro vorgelassen, weil die Wartenden glaubten, ich würde mich vordrängen…“

Trude Koca war von 1956 bis 1983 bei der WBV-GPA tätig, erst als Schreibkraft, später als Leiterin der Hausverwaltung.

1953 – 1963

Am 28. August 1953 wird schließlich die WBV-GPA als eigenständiges, gemeinnütziges Unternehmen gegründet und legt kurze Zeit später seinen ersten Meilenstein in der Geschichte des sozialen Wohnbaus: Die „Pioniersiedlung“ in Wien Favoriten wird auf geschichtsträchtigem Boden umgesetzt. Bereits 1956 ist die aus dreißig Häusern bestehende Siedlung fertiggestellt und präsentiert sich Jahrzehnte später als prämiertes sozio-ökologisches Vorzeigeprojekt.

Auch in der Steiermark wird gebaut. In Kapfenberg kann nach zweijähriger Bautätigkeit das Hochhaus Wienerstraße 56–58 im Sommer 1957 von seinen Bewohner:innen bezogen werden. Lange Zeit war das zwölfgeschossige Hochhaus ein Besuchermagnet. Leute aus der Umgebung reisen an, um mit dem Münzaufzug in den elften Stock zu fahren.

1958 wird nach fünf Jahren das erste Resümee gezogen: 466 Wohnungen sind vermietet und acht Häuser mit 179 Wohnungen in Bau. Die WBV-GPA hat Pionierarbeit zur Linderung der Wohnungsnot geleistet.

1963 – 1973

Im Jahr 1959 hat die WBV-GPA 645 Wohnungen zu verwalten, 1969 ist der Wohnungsbestand auf 1.964 gewachsen. Weitere zehn Jahre später, 1979, sind es insgesamt 2.979 in Wien, Steiermark und Niederösterreich. Die innovativen Projekte prägen die künftige Entwicklung der WBV-GPA entscheidend.

Eine wichtige Stütze bilden schon früh die Hausbesorger:innen. Sie übernehmen die Führung des Mietenbuchs und sorgen dafür, dass der Mietzins an die WBV überwiesen wird. Zu den klassischen Tätigkeiten zählen die Reinhaltung und Wartung der Wohnhäuser und Außenanlagen. Darüber hinaus erfüllen sie eine Reihe von sozialen Funktionen.

Gemessen an der Anzahl der Wohnungen wird zwischen den 60er und 70er Jahren das größte Projekt der WBV realisiert. Die von Friedrich Lang geplante und mit vielen Grünflächen ausgestattete Wohnhausanlage Neilreichgasse 86–94 in Favoriten umfasst 368 Wohnungen.

In der Steiermark baut man außerdem im obersteirischen Judenburg. In Niederösterreich werden weitere Wohnhäuser in Amstetten und Gloggnitz errichtet, hinzu kommen Bauvorhaben in Wiener Neustadt, Felixdorf und Berndorf. In Wien werden Bautätigkeiten in vier weiteren Bezirken (Meidling, Penzing, Brigittenau und Floridsdorf) gesetzt. Außerdem findet die Bautätigkeit der WBV in Favoriten und in Rudolfsheim-Fünfhaus eine Fortsetzung.

„Wir sind für unsere Mieter da. Nicht die Größe des Unternehmens ist entscheidend, sondern was wir für die Mieter leisten.“

Oswald Hronek war von 1966 bis 1983 Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung

Meilensteine:

1973 – 1993: Neue Wege im Wohnbau

Musterbeispiele des sozialen Wohnbaus entstehen, die höchste architektonische, soziale, ökologische und partizipative Ansprüche erfüllen. Ziel ist es, den hohen Qualitätsanforderungen zu entsprechen – bei angemessenen Wohnungskosten.

1973 – 1983

In den späten 1970er-Jahren erreicht die jährliche Neubauleistung in Österreich einen historischen Höhepunkt. Die WBV-GPA trägt mit ihren Wohnbauten wesentlich zum Bauboom bei. Im Jahr 1979 hat die WBV-GPA 2.808 Wohnungen zu verwalten. In den 1980er Jahren ist der Wohnungsbestand auf 3.069 angewachsen.

In den 1980er Jahren schließt die WBV-GPA insgesamt 13 Bauprojekte ab, davon fünf in Niederösterreich und acht in Wien. In den 1990er Jahren verlagert sich das Baugeschehen deutlicher in die Bundeshauptstadt.

1983 – 1993

Gegen Mitte der 80er Jahre werden Objekte immer weniger gefördert. Hinzu kommt, dass die Baukosten deutlich höher steigen als die öffentlichen Fördermittel und zudem auch die Grundstücke massiv teurer werden.

In den 1990er Jahren kann wieder eine deutliche Steigerung erzielt werden. 1999 sind insgesamt 4.841 Wohnungen im Bestand der WBV-GPA.

1989 beschließt die WBV-GPA als erstes gemeinnütziges Wohnungsunternehmen ein Mietermitbestimmungsstatut. Dadurch können die Mieter:innen von der Grundrissgestaltung der eigenen Wohnung bis zur Verwaltung der Wohnhausanlage an den Entscheidungsprozessen mitwirken.

„Die Grundstücke (…) waren vorhanden, jedoch wurde keine Förderung gewährt. Ich setzte alles daran, um die Fördermittel zu erhalten. (…) Das hat sich rückblickend gesehen wirklich gelohnt. Alle persönlichen Erfahrungen und Wunschvorstellungen (…) konnten umgesetzt werden. Aber vor allem boten wir erstmals die Mitbestimmung schon während der Bauzeit den künftigen Bewohnern an. Und sie wurde angenommen.“

Elisabeth Weihsmann war von 1984 bis 2000 Geschäftsführerin der WBV-GPA

In den 80er und 90er Jahren gewinnt ein neuer Geschäftsbereich an Bedeutung: Die Wohnhaussanierung. Die WBV-GPA hat für die „mustergültige und beispielhafte“ Sanierung folgender Objekte Stadterneuerungspreise erhalten.

1993 – 2013 Zukunftsweisende Projekte

Die WBV kann auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückblicken und erweitert ihr Betätigungsfeld über den klassischen Wohnbau hinaus.

1993 – 2003

1998 eröffnet das Flüchtlingswohnheim in der Zinnergasse. Das nach Kardinal Franz König benannte Heim in Simmering ist ein Beitrag, die dramatische Situation von Menschen in großer Not zu lindern und wird in Kooperation mit dem Integrationsfonds realisiert.

In diese Periode fällt auch die Frauen-Werk-Stadt in Wien-Floridsdorf – Europas größter von Frauen für Frauen geplanter Stadtteil Europas. Die WBV-GPA setzt mit diesem Projekt in den 1990er Jahren einen Meilenstein im frauengerechten Wohnbau.

Eine spektakuläre Revitalisierung steht in den späten 90er und frühen 00er Jahren in Simmering an: Die vier ehemaligen Gasbehälter aus dem Jahr 1899 wurden 1999 bis 2001 aufwändig den neuesten Standards angepasst. Gestaltet wird das Gasometer B, in dem sich auch das Studierendenwohnheim der WBV-GPA befindet vom Architektur-Team von Coop Himmelb(l)au.

Und auch außerhalb Österreichs wird die WBV-GPA aktiv: In den Kriegsjahren zwischen 1992 und 1995 werden in Sarajevo 70 Prozent aller Wohnungen beschädigt und 40 Prozent völlig zerstört. Die WBV-GPA gründet die Gesellschaft „GPA Bosnia d.o.o“. 2002/2003 wird die erste Wohnhausanlage in Sarajevo erbaut.

Größere Wohnhausanlagen und kleinere Wohnhäuser werden fertiggestellt. Themen sind vor allem integratives Wohnen, der Bau von Studierendenheimen und die Verbauung von Baulücken. Ein Ziel ist, die im Bestand befindlichen Wohnhäuser wärmetechnische zu sanieren.

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhundert ist sehr erfolgreich: Der Wohnungsbestand wächst von 4.841 (1999) auf 6.542 (2009) an.

Als 2000 das Hausbesorger:innengesetz außer Kraft gesetzt wird, bedeutet das einen massiven Einschnitt in jahrzehntelang gewachsene und bewährte Strukturen, der auch für die WBV-GPA eine große Herausforderung bedeutet.

2003 – 2013

2005 wird mit der Sanierung des Kauerhofs begonnen. Der Kauerhof in Rudolfsheim-Fünfhaus, eine ehemalige Mietskaserne galt einst als „Schandfleck von Wien“. Die Stadt Wien und die WBV-GPA machen daraus ein Musterbeispiel für umsichtige Wohnungspolitik und exzellente Sanierung. Heute bietet das Gründerzeit-Ensemble modernsten Wohnkomfort zu günstigen Preisen.

Dr. Günter Bischof war von 2000 bis 2005 Geschäftsführer der WBV-GPA und verwirklichte in dieser Zeit nicht nur aufwändige Revitalisierungsprojekte wie bspw. den Gasometer B, sondern auch eine Reihe an innovativen Wohnneubauten und Studentenheime, für die er eine jüngere Architektengenreration mit an Bord holte.

Schule, Werkschulheim und Seniorenwohnheim unter einem Dach. Wieder wagt sich die WBV-GPA in Neuland vor. Für die konfessionelle Privatschule Evangelisches Gymnasium mit angeschlossenem Werkschulheim wurde ein vom Büro atelier4 architects geplantes Gebäude in Simmering realisiert, in welchem auch von der Diakonie betreute Seniorenwohngemeinschaften integriert sind. Der Schul- und Heimbetrieb wird im Herbst 2006 aufgenommen werden.

Meilensteine:

2013 – heute: Im Zeichen des Wandels

2015 wird das neunerhaus fertiggestellt. In der Wiener Hagenmüllergasse bietet es mit seinen 73 Wohneinheiten wohnungslosen Menschen ein offenes, helles und kommunikatives Heim. Der Verein neunerhaus ermöglicht obdachlosen und armutsgefährdeten Personen ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Leben.

Innovativ zeigt sich die WBV-GPA einmal mehr bei den PopUpdorms in Aspern – ein temporäres Studierenden-Wohnheim in Holzmodulbauweise, das flexibel auf- und abgebaut werden kann. Die WBV-GPA schafft mit dieser Idee leistbaren und ökologischen Wohnraum für junge Menschen.

Die frühen 2020er Jahre sind geprägt durch einen Virus, der das Leben von Milliarden Menschen verändern wird. Michael Gehbauer, Nadja Horvath und Karl Dürtscher beziehen sich 2021 auf die Folgen und Auswirkungen der Coronapandemie

„(…) die nicht nur die österreichische Bevölkerung in den letzten eineinhalb Jahren in so vielen Aspekten des täglichen Lebens mit der Notwendigkeit geänderter Gewohnheiten konfrontiert hat. Ob das jetzt Homeoffice, Kinderbetreuung, Homeschooling, andere Rhythmen des Alltags oder den Wunsch nach privatem Freiraum betrifft: Das Wohnen per se ist in dieser Zeit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.“

Lockdowns, Krieg und explodierende Kosten bringen viele Menschen in existenzielle Schwierigkeiten, die auch Mieter:innen betreffen. Die WBV-GPA sucht bei Mietrückständen einen konstruktiven Dialog und entwickelt ein Delogierungspräventionskonzept.

Ein weiteres drängendes Thema dieser Jahrzehnte ist der Klimawandel. Wien möchte bis 2040 klimaneutral sein. Die Bewohner:innen der Wohnhausanlage „Wientalterrassen“ verzichten bereits auf fossile Wärmversorgung. Die Wientalterrassen zählen zu den jüngsten Leuchtturmprojekten. Mit dem 2022 fertigstellten Objekt geht die WBV-GPA punktgenau auf die Bedürfnisse der Mieter:innen ein und ermöglicht soziale Vielfalt.

Auf dem Areal der ehemaligen Remise der Wiener Lokalbahnen in Wien-Meidling realisiert die WBV-GPA gemeinsam mit seinem Kooperationspartner Neues Leben das Projekt „Lebenscampus Wolfganggasse“. Es gilt ein Wohn- und Lebensraumkonzept zu entwickeln, das bestmöglich den Bedürfnissen von Alleinerziehenden, von Jugendlichen und von älteren Menschen entspricht. Neben 323 geförderten Mietwohnungen werden hier ein Studierenden- und Jugendwohnheim, Lehrwerkstätten, Seminar- und Unterrichtsräume errichtet.

2023 entsteht mit „the one – home above“ ein außergewöhnliches Wohnprojekt im 3. Wiener Bezirk. Das Wohnhochhaus verspricht atemberaubende Ausblicke über Wien, den Donaukanal und die Grünoase Prater. Zur Infrastruktur zählen ein Co-Working-Space, Kindergarten, Spielplätze, Spa-Bereich, Swimmingpool, Fitnessstudio, eine 400 Meter lange Laufstrecke, eine zweigeschossige Hochgarage für Fahrrad mit rund 2.000 Stellplätzen und eine begrünte Terrasse mit Begegnungs- und Ruhezonen.

Auch in Zukunft wird die WBV-GPA Visionen im sozialen Wohnraum entwickeln und verwirklichen.

Meilensteine: